Eine sehnsüchtige Begegnung mit feministischem Raum | Teil 2: GOMO, COVEN & Ashley Berlin

#1_42 by Karolina Wojciechowska. Courtesy by the artist.
Exhibition: the boy tumbled off a chair, he did not hurt himself at Belvedere21, Vienna, 2019 with works by Nicoleta Auersperg,Gabriele Edlbauer,Maria Grün,Lore Heuermann,Laura Hinrichsmeyer,Nika Kupyrova,Mara Novak,Maša Stanić,Dorothea Trappel.
 'YEKI BUD, YEKI NABUD' by Nigin Beck at Ashley Berlin. Photo: Linus Muellerschoen.

 

Um besser zu verstehen, wie Projekträume institutionalisierte Diskriminierung beeinflussen können, hat Gabriela Frade sich dazu entschieden fünf Projekträume, die am diesjährigen Project Space Festival teilnehmen, genauer unter die Lupe zu nehmen. Während der erste Teil sich EVBG und Crybaby gewidmet hat, geht es in dieser zweiten zugeneigten Konsultation um GOMO, COVEN und Ashley Berlin:

Exhibition: the boy tumbled off a chair, he did not hurt himself at Belvedere21, Vienna, 2019 with works by Nicoleta Auersperg,Gabriele Edlbauer,Maria Grün,Lore Heuermann,Laura Hinrichsmeyer,Nika Kupyrova,Mara Novak,Maša Stanić,Dorothea Trappel.

GOMO

GOMO wird von drei Künstlerinnen geleitet. Gibt es feministische Herangehensweisen in eurem Projekt?

Nicoleta, Dorothea und Mara: Wir verstehen Feminismus nicht als einen rein persönlichen oder politischen Akt. Feminismus hat genauso mit der Abbildung von Frauen im Kunstsystem zu tun.

Besonders als drei Leiterinnen eines unabhängigen Kunstraums, wollen wir die Präsenz von Frauen im Kunstbereich stärken. Wenn man sich die Repräsentation von Künstlerinnen im Vergleich zu Künstlern anschaut, zum Beispiel im Hinblick auf die Preise des Kunstmarkts, tut sich eine riesige Lücke auf. Hier gibt es viel zu tun. Feminismus hat etwas mit Selbstermächtigung und Autonomie zu tun, was ganz klar durch die Tatsache reflektiert wird, dass wir einen unabhängigen Kunstraum leiten. Diese zwei Aspekte, Selbstermächtigung und Autonomie, waren für uns die Hauptgründe einen unabhängigen Projektraum zu gründen.

Wir verfolgen einen kollektiven Ansatz, nicht nur unter uns, sondern auch in der Art und Weise, wie wir mit eingeladenen Künstler*innen und Kurator*innen zusammenarbeiten. Gewissermaßen verstehen wir diese Herangehensweise auch als feministisch. Dabei geht es nicht darum ausschließlich Künstlerinnen zu zeigen. Im Juni haben wir eine Ausstellung in Wien mit einem männlichen Kollektiv, das sich Jürgen Kleft nennt. Für das Berlin Project Space Festival werden Aline-Sofie Rainer, Theresa Kanz und Nicoleta Auersperg eine Leseausstellung machen. Die künstlerischen Aspekte einer Ausstellung und die Forderung nach guter Qualität sind besonders wichtig für GOMO.

Ihr seid ein unabhängiger Kunstraum. Denkt Ihr, Ihr habt dadurch die einzigartige Chance eine bessere Gleichstellungspolitik zu etablieren?

Natürlich gehen wir davon aus, dass wir einen Beitrag zur Sensibilisierung von Gleichstellung leisten können. Seitdem eine üble Politik in Österreich regiert, hat sich eine starke und unabhängige Kunstraumszene in Wien gebildet. Es wird zunehmend wichtiger Netzwerke aufzubauen und sich zu organisieren. Bei den Treffen werden geschlechterrelevante Themen natürlich auch diskutiert.

Wie kann Kunst eurer Meinung nach etwas an der gegenwärtigen, geschlechterspezifischen Ungleichheit ändern?

Wir haben oben unsere Arbeitsweise beschrieben und in diesem Sinne auch, wie wir hoffen auf geschlechterspezifische Ungleichheiten Einfluss zu nehmen.

Ein weiterer interessanter Punkt bei diesem Thema ist zum Beispiel, wie die ältere Generation feministischer Künstler*innen eine jüngere Generation wahrnimmt. Es kommt nicht nur Zustimmung von der älteren Generation. Vor allem, wenn man sich anschaut, wie junge Künstler*innen mit Sozialen Medien und ihrer Selbstdarstellung umgehen, herrschen ein gewisses Unverständnis und sogar Ablehnung seitens der älteren Generation. Wir glauben Zusammenarbeit ist der einzige Weg. Das haben wir in unserer Ausstellung im Belvedere21 gemacht, wo wir die Regel der Hauptkurator*innen, nur „junge“ Künstler*innen unter 35 einzuladen, untergraben haben und stattdessen Künstlerinnen zwischen 22 und 83 einluden.

Was erwartet uns bei GOMO im diesjährigen Project Space Festival Berlin?

Wir organisieren eine Leseausstellung mit dem Titel AS IF FALLING UNDER A SPELL im Körner Park in Neukölln.

Aline-Sofie Rainer, die literarisch und bildhauerisch arbeitet und vor Kurzem wieder aus Tokio zurückkam, Theresa Kanz, eine Berliner Künstlerin und ausgebildete Modedesignerin und Nicoleta Auersperg, Bildhauerin und eine der Gründerinnen von GOMO, werden für das Projekt zusammenkommen. Wir möchten nicht zu viel verraten, aber können schon einmal sagen, dass ein Cello und eine Maske für Virginia Woolf eine Rolle spielen werden.

choice 3 by Judy Landkammer. Courtesy of the artist.

COVEN Berlin

 

COVEN BERLIN adressiert Vorurteile, die in unserer Gesellschaft immer noch allzu verbreitet sind. Zum Beispiel im Hinblick auf Sex und „das Weibliche“ und all die Arten, an die die Sexualität der Frau gebunden ist. Wie versucht Ihr diese Fragen aufzubrechen und der Öffentlichkeit zu vermitteln?

Louise: Als ein Kollektiv, dessen Praxis intersektional feministisch und queer ist, interessieren wir uns natürlich für Sex und Sexualität, jedoch weniger für „das Weibliche“ und die „Sexualität der Frau“, da diese Wörter zunächst einschränken, wer und was damit adressiert werden kann. Deshalb denke ich, das Erste, was es aufzubrechen gilt, ist die Dichotomie in der Fragestellung. Ich würde außerdem fragen, wer mit “Öffentlichkeit” gemeint ist, da unser Publikum zum Großteil aus Leuten besteht, die sich in und um spezifische Gruppierungen der facettenreichen queeren Szene Berlins bewegen und von denen viele äußerst geschickte und einfühlsame Vorgehensweisen haben, um Vorurteile aufzubrechen. Das heißt, wir möchten in Dialog mit diesen Fragen treten, ohne irgendeine bevormundende Stellung, der Öffentlichkeit gegenüber, einzunehmen. Wir sind im ständigen Austausch mit den Menschen um uns herum, seien sie Freund*innen oder Liebhaber*innen, Verwalter*innen oder Künstler*innen. Ein Mainstream-Publikum heißen wir natürlich willkommen, das bedeutet jedoch nicht, dass wir die breite Masse bedienen.

Diskriminierung geht uns alle etwas an. Vor allem, wenn es darum geht ihr entgegenzuwirken. Wo denkt Ihr, können wir noch mehr tun, um das gegenwärtige Panorama zu verändern, insbesondere in der Kultur- und Kunstwelt?

Ungerechtigkeit zu bekämpfen kann häufig in einer Art und Weise dargestellt werden, die das Individuum oder das Identitäre ins Zentrum stellt, was schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist. Das eigene Leben so zu leben, dass wir ehrlich, politisch und ethisch dahinter stehen können, ist eine unglaublich schwierige Aufgabe. Es gibt immer mehr zu tun und jede Person muss für sich selbst entscheiden, wo sie mehr oder weniger tun könnte. Du könntest Veganer*in sein, ohne jemals die Nachrichten zu lesen. Du könntest in einer polyamorösen Beziehung sein, ohne zu wissen, wie Du für deine platonischen Freund*innen da sein kannst. Du könntest ein*e radikale*r Aktivist*in sein und zwei Mal im Monat mit dem Flugzeug reisen.  Du könntest dir deinen eigenen Privilegien nicht bewusst sein oder dich von weißer Schuld überwältigt fühlen. Vielleicht kann ein kollektiveres und systematischeres Denken helfen, sei es auf der Ebene des Konsumverhaltens, der Wissenszirkulation, dem Zugang zu Möglichkeiten und Sichtbarkeit oder darüber hinaus. Kunst kann da mithelfen. Ich glaube auch, dass Kunst und Kultur dort einsetzen, wo sie uns aufwühlen und in andere Richtungen drängen. In diesem Sinne würde ich empfehlen, sowohl Kunst anzuschauen, zu der Du keine Beziehung aufbauen kannst (manchmal mag sie als Kunst daherkommen, die du nicht magst), als auch Kunst von Menschen, deren Hauptberuf nicht „künstlerisch“ ist – viele der besten Kollaborationen von COVEN waren mit Babysitter*innen, Aktivist*innen, Sexarbeiter*innen, Studierenden, etc. Es ist wichtig sich vor Augen zu halten, dass man keinen Masterabschluss braucht, um „Teil der Szene“ zu sein und gute Kunst zu machen.

Was erwartet uns bei COVEN im diesjährigen Project Space Festival Berlin?

Wir werden für das PSF einige Dinge anders machen – das Format wird performativer und partizipativer sein. Die COVEN-Mitglieder Frances Breden, Lorena Juan, Kiona Hagen Niehaus und Louise Trueheart werden 60% der Kunst in der Ausstellung machen (die anderen 40% kommen von unseren Freund*innen Romily Alice Walden und Clay A.D. von der Sickness Affinity Group). In einer Veranstaltung bei ProFamilia, einer Klinik für Familienplanung in Schöneberg, werden PROBAND-WERDEN medizinische Prozesse parodieren. Ihr Bestreben ist es Erfahrungen zu teilen, die das Verständnis unserer Körper von medizinischen Normen und Neutralitäten wegbewegen. Ihr könnt also nach Kritiken von dystopischen, zukünftigen Gesundheitswesen, dem Sich-Treiben-Lassen als Überlebensstrategie und einem Einmitteln des kranken Körpers Ausschau halten.

'YEKI BUD, YEKI NABUD' by Nigin Beck at Ashley Berlin.

Ashley Berlin

Neben Ausstellungen, organisiert Ihr auch Veranstaltungen, die den Dialog vorantreiben sollen. Ist Feminismus eines der Themen, mit denen Ihr euch beschäftigt?

Lauryn Youden und Kate Brown: Wir bezeichnen uns als intersektionale Feministinnen und hoffen, das überträgt sich auf unsere Herangehensweise. Es geht nicht nur um die bearbeiteten Inhalte, die sich auf Themen rund um Feminismus beziehen, sondern eher um die Art und Weise der Annäherung und darum, wie man diese Dialoge entwickelt. Wen wir kuratieren, ist nur ein kleiner Teil dessen. Genauso geht es darum, wie wir Diskussionen führen, wie wir einen Ort für kritische Diskussion und Überlegungen in unseren internen Prozessen schaffen.

Ihr seid ein unabhängiger Kunstraum. Denkt Ihr, Ihr habt dadurch die einzigartige Chance eine bessere Gleichstellungspolitik zu etablieren?

Vielleicht handelt es sich hierbei weniger um eine einzigartige Chance, da wir davon überzeugt sind, dass wir alle dafür verantwortlich sind eine bessere Gleichstellung zu bewirken. Allerdings haben wir mit Ashley natürlich die Möglichkeit das in einer selbstbestimmten Weise zu tun, da wir die Kontrolle über unsere Produktionsmittel haben, ohne uns an Marketing, Trends oder Förderpolitiken orientieren zu müssen.

In vergangen Interviews habt Ihr davon gesprochen, dass es in der Berliner Kunstwelt ein stammesspezifisches Verhalten gibt. Würdet Ihr sagen, dass eine durch Stammeszugehörigkeiten bedingte Abgrenzung auch den Feminismus betrifft – zum Beispiel, indem sie eine systematische, gegenseitige Unterstützung nicht zulassen?

Nein. Einzelne Gemeinschaften sollten die übergeordnete Relevanz von feministischen Überlegungen nicht einschränken. Es geht hier um ein Ziel und eine Diskussion, die uns alle vereinen sollte.

 Was erwartet uns bei ASHLEY im diesjährigen Project Space Festival Berlin?

Beim Project Space Festival Berlin präsentiert ASHLEY eine Performancereihe unter dem Titel „Soft Politics“, mit der Künstlerin Bitsy Knox, der österreichischen Künstlerin Lilly Pfalzer, Kiani Del Valle und Esben Weile Kjær. Wir haben dafür einen öffentlichen Ort in der Nähe unserer Galerie ausgewählt, den Oranienplatz. Die von Stephanie Holl-Trieu ko-kuratierte Veranstaltung findet am 25. Juni statt und wird eine Kombination aus Bewegungen und poetischen Praktiken darstellen. Jede dieser Praktiken zielt darauf ab Soft Power hervorzubringen. Gemeinsam schlagen sie eine Praxis vor, die in Dissonanz verweilt und mit vielen Stimmen spricht.

Wir haben uns für den Oranienplatz entschieden, da es ein öffentlicher Ort mit einer vielstimmigen Geschichte ist. Neben seiner Rolle in politischen Belangen, die die Stadt einfangen, bleibt er frei von Festschreibungen. Er ist das Gegenteil von monumental; eine Durchgangszone.  Unsere Frage ist: „Wie verorten wir uns in diesem flüchtigen Zustand und wie verankern wir uns in dieser Landschaft?“

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Photo Credits:
Exhibition by GOMO: the boy tumbled off a chair, he did not hurt himself at Belvedere21, Vienna, 2019. Courtesy the artist.
'YEKI BUD, YEKI NABUD' by Nigin Beck at Ashley Berlin. Photo: Linus Muellerschoen.
Exhibition by COVEN BERLIN and Dziewczyństwo. Photo credits: Judy Landkammer and Karolina Wojciechowska.

 

Text von Gabriela Frade, 1990 geboren in Lissabon, studierte Geschichte in Lissabon und Barcelona sowie Kunstmanagement und Muesologie in Lissabon. Sie lebt mal hier und mal dort und interessiert sich für Menschen und Kultur, in dieser Reihenfolge.